Der Auftrag des Goldenen Rosenkreuzes

Es geht in erster Linie um Verminderung der Egozentrik der Persönlichkeit zugunsten des Wachstums des Göttlichen Anteils im Menschen. Schritt für Schritt erzeugen diese Prozesse im Schüler, in der Schülerin Zustände des Friedens, der Gelassenheit, des Nicht-Seins der äusseren Natur nach.

Grundsatzerklärung des LECTORIUM ROSICRUCIANUM

Die Zielsetzung der Internationalen Schule des Rosenkreuzes wird mit den Worten umrissen: «Das Lectorium Rosicrucianum leitet seinen Namen von der klassischen Bezeichnung Rosenkreuz oder Christian Rosenkreuz ab. Es stellt sich auf den Standpunkt, dass dieser Name nicht einem existierenden Menschen als Familienname gehörte, sondern sich auf eine bestimmte geistige Ausrichtung bezieht. Wir nennen uns Rosenkreuzer, um damit anzudeuten, dass wir Jesus Christus zu einem lebendigen Faktor in unserem Leben machen wollen. Daher die Bezeichnung des Vornamens Christian.
Der Pfad des Christus ist ein Weg, eine Methode, eine Lebenshaltung, eine religiöse Gesinnung, die auf das Bearbeiten der Rose gerichtet ist. Die Rose ist ein latentes Prinzip, das im Herzen des Menschen ruht und auf dessen Basis die Kindschaft Gottes verwirklicht werden kann. Dieses Prinzip findet sich in jedem Menschen. Das Arbeiten an der Rose in der Kraft und der Gnade des Christus und nach den Anweisungen der klassischen Weisheit, der Universellen Lehre, macht es möglich, das grosse Ziel, zu dem jeder Mensch geboren ist, zu erreichen. Im Prolog des Johannes-Evangeliums lesen wir: «Alle aber, die Ihn annehmen, setzt er instand, wiederum Kinder Gottes zu werden». Dieses ganze Streben kann in dem Namen Christian Rosenkreuz verstanden werden».

Was ist der Sinn eines geistigen Weges?

Worte wie «Weg» und «Ziel» rufen Bilder und Vorstellungen hervor. Wenn wir uns jedoch vorstellen, dass der Schüler, die Schülerin auf dem Weg fortschreitet und vorwärtskommt, kann das zu schweren Missverständnissen führen. Einen spirituellen Weg gehen heisst, weder neue Bewusstseinsgebiete erforschen noch seine persönlichen Fähigkeiten erweitern, noch geht es dabei darum, das Leben einfach intensiver zu erleben.

Bestenfalls kann man sich das als eine Reihe von Übergängen vorstellen, gleich dem Übergang von der Kindheit zum Jugendalter und dann zum Erwachsenenalter: einerseits ist es ein innerer Wachstumsprozess und andererseits ein Prozess des Absterbens des Ichs.

Der Weg und das Ziel sind nicht auf Persönlichkeitskultur ausgerichtet, um mehr Macht, Wert oder Vergnügen zu erlangen. Es geht auch nicht um Erweiterung des Bewusstseins bis in den subtilen Bereich des Jenseits (Hellsichtigkeit). Es geht in erster Linie um Verminderung der Egozentrik der Persönlichkeit zugunsten des Wachstums des Göttlichen Anteils im Menschen. Schritt für Schritt erzeugen diese Prozesse im Schüler, in der Schülerin Zustände des Friedens, der Gelassenheit, des Nicht-Seins der äusseren Natur nach. Neue Freiheit und neue Liebe wachsen im Menschen, bis er eins wird mit dem Geist. Schliesslich schwindet die illusorische Identität seines Ichs. Dem inneren Gesetz des Geistes entsprechend entwickelt sich eine neue Identität, die ganz im ursprünglichen Selbst, im Geist verankert ist.

Um die Erfahrungen, die auf diesem Entwicklungsweg gemacht werden, zu beschreiben, möchten wir sie anhand von Gegensätzen darstellen: Auf das Loslassen der aus dem Eigenwillen hervorgehenden Handlungen folgt das vertrauensvolle Sich-Einlassen auf das Entwicklungsgesetz des Geistes; an die Stelle der Begierden tritt die vollständige Hingabe an die göttliche Welt; an die Stelle der egozentrischen Impulse tritt das Einströmen von neuen Kräften. Wir sehen hier den Geist oder das Göttliche nicht als eine äussere Autorität, sondern als die Stimme in unserem Herzen, die noch latent ist.

Unterscheidungsvermögen

Das Unterscheidungsvermögen entspricht der ersten Stufe auf dem Pfad. Es handelt sich hier nicht um eine intellektuelle Analyse, sondern um die Erkenntnis, die aus dem Herzen bis ins Bewusstsein aufsteigt. Das Rosenkreuz spricht hier von Prä-Erinnerung oder Rückerinnerung: Es ist die unterbewusste Erinnerung an die Welt des Geistes, die im tiefsten Innern des Menschen verborgen liegt. Wenn diese Prä-Erinnerung in einem Menschen erwacht, weiss er, dass ihm ein Leben in der Welt des Geistes bestimmt ist.

Im Licht dieses inneren Wissens erscheinen ihm seine persönlichen Ansichten und Meinungen, seine Kritik äusserst beschränkt und das Verschwinden dieser Begrenzungen schafft Raum und Freiheit. Seine Vernunft wird in diese neuen Erfahrungen miteinbezogen und wird immer mehr daran teilhaben.

Aus Gott geboren

Nach dem Grundsatz des Rosenkreuzes aus dem 17. Jahrhundert «Ex Deo nascimur» ist jeder Mensch aus Gott geboren. Wir alle sind Gedankenkeime – aus dem göttlichen Denken entsprungen – die wachsen und sich frei entfalten möchten. In diesem Sinne ist es zweifellos unsere Aufgabe, Verantwortung zu übernehmen, uns selbst gegenüber und gegenüber der Entwicklung von Welt und Menschheit. Aber auch Verantwortung zu tragen für das Naturreich, mit dem wir ja verbunden sind.

Welche philosophische Weltanschauung dem auch immer zu Grunde liegen mag: Die Erfahrung des «Aus-Gott-Geboren-Seins» erschliesst ganz neue Perspektiven. Sobald wir die materialistische Ansicht, die besagt, der Mensch sei ein Zufallsprodukt der Natur, hinter uns lassen, eröffnet sich uns eine ganz andere, universelle Anschauung. Der Geist erschafft die Welt, aber nicht als ein höheres Wesen, das von aussen her alles beherrscht.

Die geistige Dimension ist alles durchdringend und allgegenwärtig. Sie ist der unerschöpfliche Quell des Lebens. Sie erzeugt Prinzipien und Kräfte, die alles Geschaffene hervorbringen. Die menschlichen Geschöpfe jedoch verfügen über einen freien Willen, der es ihnen erlaubt, sich vom Ursprung zu entfernen.

In der Bibel wird der Logos, das «Wort Gottes», erwähnt. Damit ist eine Kraftlinienstruktur gemeint, die alles Leben begründet und von Innen her belebt, gleich wie die unsichtbare Information in einem Samenkorn eines Tages die Pflanze spriessen lassen wird. Diesen Kraftlinien entlang ist es dem Menschen jederzeit möglich, sich seinem Ursprung aus freiem Entschluss wieder zuzuwenden. Mit dieser Umwendung übernimmt er Verantwortung und begibt sich auf den Weg der grossen Umwandlung bis in die Atome: Den Weg der Transfiguration.

 

Einige Themenkreise

Es würde zu weit führen, hier in vollem Umfang den Auftrag des Goldenen Rosenkreuzes und seine Arbeit zu beschreiben. Deshalb fassen wir hier einige wichtige Themenkreise zusammen:

  • Der zweifache Ursprung des Menschen
  • Reinkarnation und Karma
  • Der Ruf des Herzens
  • Das Prinzip der Streitlosigkeit, Gewaltlosigkeit und Nächstenliebe
  • Selbsterkenntnis, Erneuerung des Bewusstseins und Verzicht auf Egozentrik